Salicylsäurearme Ernährung – geht das?
Jeder, der schonmal nach einer Aspirin bzw. ASS einen Asthmaanfall hatte, kennt den Zusammenhang zwischen der Einnahme von Salicyläure (ASS = Acetylsalicylsäure) und Atemnot bei Menschen mit Samter-Trias bzw. Salicylsäure-Unverträglichkeit.
Es ist nur noch ein kleiner logischer Schritt von der Erfahrung, dass große Mengen Salicylsäure – z.B in einer 500 mg-Tablette ASS – einen heftigen Asthmaanfall auslösen, zu der Vermutung, dass kleinere, aber konstante Mengen Salicylsäure, zum Beispiel im Essen, schwächere, aber konstante Asthmabeschwerden verursachen. Es liegt also nahe, die Asthmabeschwerden bei einem Samter-Syndrom durch salicylsäurearme Ernährung zu verringern.
Tatsächlich ist das auch gängige Praxis in anderen Ländern (zum Beispiel am Royal Prince Albert Hospital in Australien, dessen Allergiezentrum auf die Behandlung von Lebensmittel-Unverträglichkeiten spezialisiert ist).
Eine kanadische Studie zur Wirksamkeit einer salicylarmen Diät bei Samter-Trias, veröffentlicht im April 2016, weist auch wissenschaftlich nach, dass sich durch eine salicylsäurearme Ernährung schon nach wenigen Wochen die Beschwerden durch Asthma und Nasenpolypen bessern.
Das ist auch meine eigene Erfahrung: Seit ich mich salicylsäurearm ernähre, ist mein Bedarf an Medikamenten, insbesondere an kortisonhaltigen Asthmasprays, drastisch gesunken. Ich habe, wenn nicht andere meiner persönlichen Asthma-Auslöser (vor allem Gräserpollen) hinzu kommen, keine Asthmabeschwerden mehr. Und meine Nasenpolypen sind zwar nicht verschwunden, aber immerhin doch an den meisten Tagen soweit abgeschwollen, dass ich frei durch die Nase atmen kann, kein Druckgefühl mehr im Kopf habe und manchmal sogar meinen Morgenkaffee wieder rieche 🙂
Trotzdem ist die salicylsäurearme Diät in Deutschland weitgehend unbekannt. Und bis sich die Erkenntnisse aus neueren Studien verbreitet haben, werden viele „Profis“ aus dem Gesundheitswesen weiter behaupten, dass salicylsäurearme Ernährung nicht funktioniert. Mir begegnen dabei – quer durch Lungen- und HNO-Arztpraxen, Allergieberatungszentren und Ernährungsberatungen – vor allem zwei „Argumente“, die ich hier widerlegen möchte:
1. Argument: Salicylsäure ist überall drin, die können Sie nicht vermeiden
Richtig ist: Salicylsäure ist in fast allen Obstsorten, in den meisten Gemüsesorten und in fast allen Gewürzen in unterschiedlichen Konzentrationen enthalten. Es gibt jedoch eine ganze Reihe von Gemüsesorten und einige Obstsorten, die kein oder nur sehr wenig Salicylsäure enthalten. Und auch viele anderer Grundnahrungsmittel wie Reis, Nudeln, Fleisch, Fisch und Eier enthalten keine Salicylsäure. Es ist deshalb zwar eine Herausforderung, sich salicylsäurearm zu ernähren, aber es ist durchaus möglich.
Das Problem: die meisten Ärzte und „Gesundheitsarbeiter“ wissen das nicht. Sie haben keine ausreichenden Informationen über den Salicylsäuregehalt von Lebensmitteln, sondern im besten Falle kurze, unvollständige Listen wie diese Übersicht aus dem Buch „Die große GU Nährwert-Kalorien-Tabelle 2010-2011“. Und mit solchen Listen ist eine salicylsäurearme Ernährung in der Tat nicht zu machen.
Nun würde man ja denken, dass sich irgendwo in der Fachwelt auch in Deutschland herum gesprochen hat, dass Anne Swain in Ihrer Doktorarbeit bereits in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts (!) sehr umfangreiche Messungen des Salicylsäuregehalts von Lebensmitteln durchgeführt hat. Und in der Tat gibt es Hinweise darauf, dass diese Listen auch in Deutschland einigen Fachleuten bekannt sind.
So zitiert zum Beispiel Professor Dr. med. Ludger Klimek im Beitrag „Kein ASS bei Asthma?“ in der Zeitschrift „ALLERGIE konkret 3/2004“, einem Magazin des Deutschen Allergie und Asthma-Bundes, auch die Zahlen von Anne Swain.
Doch dann heisst es lapidar „Salicylatverbindungen (…) werden täglich in relevanter Menge durch den Verzehr verschiedener Nahrungsmittel aufgenommen, so dass
eine konsequente Meidung nicht praktikabel ist.“ (ebendort, S. 29) – was uns zum zweiten Argument bringt.
2. Argument: Salizylatarme Ernährung ist „nicht praktikabel“
Mit dem Wissen um die Untersuchungen von Anne Swain kann die Grundlage der Argumentation hier nicht mehr die falsche Annahme sein, dass eine weitgehende Vermeidung von Salicylsäure nicht möglich sei. Denn Swain listet genügend Lebensmittel auf, die keine oder kaum Salicylsäure enthalten, um sich davon gesund zu ernähren. Die (unausgesprochene) Argumentation hinter diesem Urteil muss vielmehr sein: Der Aufwand, den man betreiben muss, um sich konsequent salicylsäurearm zu ernähren, ist zu hoch.
Ich weiss nicht, woher diese Einschätzung kommt. Eventuell gibt es Test-Studien, die an der sogenannten „Compliance“ (Mitwirkung) der Teilnehmenden gescheitert sind? (Falls jemand solche Studien kennt: bitte melden! Das interessiert mich sehr!!).
Vielleicht ist das auch nur die private Einschätzung einiger Ärzte?
Fakt bleibt: Salicylsäurearme Ernährung ist durchaus möglich. Trotzdem wird den Betroffenen das Wissen, das sie für eine salicylsäurearme Ernährung brauchen, hierzulande vorenthalten oder zumindest nicht systematisch zur Verfügung gestellt. Ich möchte aber gerne selbst entscheiden, ob ich mich lieber salicylsäurearm ernähre, oder lieber mehr Kortison einnehme – denn das sind im wesentlichen die Alternativen.
Welches der richtige Weg für jeden einzelnen Betroffenen ist, das ist sicher unterschiedlich. Nicht jede will auf ihre liebgewonnenen Ess- und Trink-Gewohnheiten verzichten, immer selbst kochen, die ungläubigen oder auch mitleidigen Kommentare der Mitmenschen über salicylsäurearme Ernährung hören, auch wenn der Preis dafür ist, dass ich mehr Asthmamedikamente brauche. Für mich ist aber die salicylsäurearme Ernährung der richtige Weg, denn ich fühle mich in meinem Leben und Wohlbefinden mehr durch die Nebenwirkungen der Asthmamedikamente (vor allem Hals- und Mittelohrentzündungen, Nasenbluten, Blasenentzündung und Heiserkeit) eingeschränkt, als durch eine umgestellte Ernährung.
Vor allem aber denke ich, dass jeder Betroffene das Recht hat, diese Frage für sich selbst zu entscheiden.
Deshalb wäre es gut, wenn mehr Menschen (und vor allem Ärzte, Therapeuten, Ernährungswissenschaftler) wüssten, wie man sich erfolgreich und gesund salicylsäurearm ernährt. Vielleicht kann ich den DAAB ja eines Tages doch für eine Aufklärungskampagne zum Thema salicylsäurearme Ernährung gewinnen 🙂
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